Nach dem Sex bleibt immer ein Stück des Anderen in uns zurück

Wir haben schon öfter im spirituellen Kontext gelesen oder gehört, dass jeder unserer bisherigen Sexualpartner ein Stück von sich in uns hinterlässt. Wir haben dies bisher als eine Metapher angesehen, die auf den intensiven Energieaustausch während des Geschlechtsverkehrs verweist und dabei intensive Eindrücke auf der energetischen und mentalen Ebene hinterlässt.

Überrascht hat uns nun eine Studie von Immunologen des Fred Hutchinson Cancer Center in Seattle/USA, die nachgewiesen haben, dass hier, zumindest bei Frauen, mehr als nur Energie beteiligt ist. Bei Blutuntersuchungen von 120 Frauen, die keine männlichen Kinder geboren haben, wurden bei 21 Prozent der Teilnehmerinnen Y-Chromosomen, also männliche DNA, gefunden.

Bei Frauen, die einen Sohn haben, ist das ein bekanntes Phänomen, weil über die Plazenta Zellen des Babies in den Blutkreislauf der Mutter gelangen und dort noch viele Jahre nach der Entbindung nachgewiesen werden können. In der Medizin wird dies als "fetaler Mikrochimärismus" bezeichnet, benannt nach einem Mischwesen aus der griechischen Mythologie.

Die Tatsache, dass auch bei Frauen, die bisher noch nicht schwanger waren bzw., die nur Mädchen geboren haben und die keinen Schwangerschaftsabbruch hatten, Y-Chromosomen gefunden wurden, könnte laut den Wissenschaftlern mehrere Ursachen haben: von einem abgegangenen männlichen Zwilling, von ihrer Mutter über einen älteren Bruder ... oder durch Geschlechtsverkehr. Es besteht also die entfernte Möglichkeit, dass die Zellen eines früheren Liebhabers während des Geschlechtsverkehrs übertragen wurden und im Körper der Frau verbleiben.

In diesem Zusammenhang ist auch eine Untersuchung der University of South Wales bemerkenswert, die bei der Erforschung von Fruchtfliegen herausfanden, dass die eigentlich durch die Genetik verworfene Theorie der Vererbungslehre (Telegonie) zumindest bei dieser Tierart doch zutrifft. Die Größe der Nachkommen stimmten bei dieser Versuchsreihe mit der des ersten Partners der weiblichen Fliege überein und nicht mit dem des biologischen Vaters. Sie vermuten, dass Samenmoleküle des ersten Sexualpartners von den unreifen Eiern der Mutter absobiert wurden. Ob dies allerdings auch auf andere Gattungen übertragen werden kann, ist zur Zeit noch nicht erforscht.

Ob diese Hypothesen nun zutreffen oder nicht, sie haben uns aber nachdenklich gemacht. Ob wir es wollen oder nicht, die Menschen, mit denen wir Sex haben, spiegeln uns etwas von uns selbst. Es scheint so einfach, alte Beziehungen einfach ad Acta zu legen und sie mit der Unerfahrenheit des damaligen Alters zu begründen. So lange wir mit unserer eigenen Vergangenheit und mit unseren Ex-Partnern noch in Unfrieden sind und nicht gelernt haben, diese Erfahrungen wertzuschätzen, tragen wir diese Unzufriedenheit noch in uns. Wir stimmen Robert Betz zu, der sagt: "Jede Erfahrung, auch die schmerzlichste, hatte ihren Sinn und Wert für dich." und "Jeder Partner ist zum jeweiligen Zeitpunkt genau der Richtige für dich".

Die erwähnten wissenschaftlichen Ergebnisse lassen sich unserer Ansicht nach auch hinsichtlich des Geschlechtsverkehr an sich von einem anderen Gesichtspunkt aus interpretieren. Als Tantriker sehen wir die körperliche Vereinigung von Frau und Mann, von Shakti und Shiva, von weiblichem und männnlichem Prinzip als einen heiligen (im Sinne von heilend) und spirituellen Vorgang an. Wenn er mit Achtsamkeit, Respekt und Bewusstheit für den Partner und für die dabei erschaffene orgasmische Energie begangen wird, kann eine liebevolle Verbindung, tiefes Vertrauen und gemeinsames Wachstum entstehen. Wenn dann ein Teil dieses Menschen in uns vorhanden bleibt, sei es energetisch oder physisch, dann ist er eine Quelle von Energie und Dankbarkeit.

Wenn wir auf unsere eigene sexuelle Geschichte zurück schauen, werden wir oft andere Erfahrungen gemacht haben. Wir haben uns manchmal auf Sex eingelassen, ohne wirklich verbunden mit uns selbst zu sein - sei es aus Unerfahrenheit oder Unbewusstheit, aus Unsicherheit oder Neugier, aus Leistungsdruck oder Verlustängsten. Auch hier ist ein Teil des jeweiligen Partners bei uns zurück geblieben, in diesem Falle aber nicht wirklich integriert sondern abgespalten und mit indifferenten Gefühlen verbunden. Wir schleppen eine Menge sexuellen Ballasts mit uns herum und es bringt wenig Erleichterung, wenn wir unsere früheren Erfahrungen nur bedauern. Der Weg zum inneren Frieden führt stattdessen über dass Annehmen dieser Erfahrungen und der bewussten Zustimmung, dass auch Lebensbrüche ihren Sinn haben.

Im Sinne der "Kunst des bewussten Liebens", für die wir uns engagieren, ist es uns wichtig ein Verständnis dafür zu wecken, dass Sexualität mehr ist als ein rein genitaler Akt. Sie ist ein gemeinsamer Tanz von männlichen und weiblichen Energien, an dem beide Partner mit all ihren Aspekten beteiligt sind. Da immer ein Stück des Anderen in uns zurück bleibt, sollten wir besonnen und bewusst entscheiden, mit wem wir diese besondere Erfahrung teilen. Lasst uns respektvoll und aus dem Herzen heraus mit dieser wertvollen Energie - unserer Sexualität - umgehen.

tl_files/bilder/sonstiges/download_pdf_50.png© Ralf Lieder & Anke Felice Pospiech, himmlisch-lieben.de 

Quellen:
http://www.amjmed.com/article/S0002-9343%2805%2900270-6/abstract
http://www.theguardian.com/commentisfree/2014/oct/02/baby-looks-like-ex-research